Fibonacci Indikator
Aktienkurse entwickeln sich nie geradlinig. Sie unterliegen immer wieder zwischenzeitlichen Schwankungen und Gegenbewegungen. Auf diese folgt dann eine Fortsetzung des Trends oder eine Trendumkehr. Hier kommt der sogenannte Fibonacci-Indikator ins Spiel. Denn Fibonacci-Linien sollen beim Versuch helfen, eine Stelle zu lokalisieren, an welcher die Bewegung eines Kurses sein Ende findet, unabhängig von der Richtung.
Erklärung
Unter Fibonacci versteht man im Trading einen Indikator, der Kursbewegungen misst. Darauf basierend werden Unterstützungs- bzw. Widerstandslinien im Kurs-Chart angezeigt. Diese Linien werden Fibonacci-Linien oder Fibonacci-Levels genannt und im Chart horizontal angezeigt.
Die Fibonacci-Levels stellt kein eigenes Trading-System dar, sie sind immer Teil davon. Dennoch können manche Fibonacci-Tools auch Trendverlängerungszonen projizieren. Mit diesen Projektionen können Aussagen darüber getroffen werden, in welche Richtung sich der Kurs wahrscheinlich entwickeln wird.
Historischer und mathematischer Hintergrund
Der Fibonacci-Indikator basiert auf einer Zahlenreihe, deren Entdeckung dem italienischen Mathematiker Leornado Fibonacci da Pisa zugeschrieben wird. Fibonacci, der von 1170 bis 1240 lebte, entdeckte die Zahlenreihe durch eine Untersuchung einer angenommen Kaninchenpopulation.
Dabei stellte sich der Mathematiker die Frage:
Wie viele Kaninchenpaare würden nach einem Jahr ein abgeschlossenes Gebiet bevölkern, wenn zu Beginn ein einziges Kaninchenpaar in diesem Gebiet ausgesetzt war?
Obwohl Fibonacci seinen Überlegungen ein paar, rein biologisch gesehen, sehr unwahrscheinliche Annahmen zu Grunde legte, führten sie doch zu überaus relevanten Ergebnissen.
Entwicklung der Kaninchenpopulation
Im ersten Monat gibt es nur ein Kaninchenpaar. Im zweiten Monat wird vom ersten Paar ein neues Paar gezeugt. Zu Beginn des 3. Monats besteht die Population also aus zwei Paaren. Das ältere Paar erzeugt ein weiteres neues Paar, sodass sich die Population auf drei Paare erhöht. Im folgenden Monat kommen zwei Paare hinzu: Eines des älteren Paares und eines des Paares aus dem zweiten Monat. Insgesamt besteht die Kaninchenpopulation nun aus fünf Paaren. Beschreibt man die Entwicklung der Kaninchenpopulation in einer Zahlenfolge, lautet sie: 1,1,2,3.
Fibonacci Zahlenfolge
Allgemein wird die Fibonacci Zahlenreihe wie folgt beschrieben:
Die Summe zweier benachbarter Zahlen ergibt die nächsthöhere Zahl.
Beginnt das erste Zahlenpaar mit 1, lautet die Zahlenfolge 1, 2. Die Summe ergibt 3.
Die neue Zahlenfolge lautet 1, 1, 2, 3. Nun wird 2 und 3 addiert. Die Summe ergibt 5.
Die neue Zahlenfolge lautet 1, 1, 2, 3, 5.
Führt man die Reihe fort, ergibt sich folgende Zahlenserie:
0, 1, 1, 2, 3, 5, 8, 13, 21, 34, 55, 89, 134, 233, 377, 610, 1387 usw.
Für den Aktienhandel sind natürlich nicht die Zahlen der Fibonacci-Reihe an sich von Bedeutung, sondern die Verhältnismäßigkeit der Zahlen untereinander. Werden zwei benachbarte Zahlen in Relation gesetzt, also eine Zahl durch die vorhergehende dividiert, zum Beispiel 55 durch 34, lautet das Ergebnis in diesem Fall gerundet 1,618. Wird die Relation anderer Zahlenpaare berechnet, entsteht eine Zahlenfolge, die sich asymptotisch einer konstanten Relation von 1, 61803398875 nähert. Diese irrationale Zahl wird PHI genannt.
Wird eine reziproke Berechnung durchgeführt, also jede Zahl der Serie durch die nachfolgende Zahl dividiert wird, erhält man die Relation PHI‘, also den Kehrwert von PHI, der hier 0,618 lautet.
Fibonacci Ratios
1,618 und 0,618 sind erste Ratios der Fibonacci-Zahlenreihe. Weitere Ratios erhalten wir, wenn nicht durch die benachbarte Zahl, sondern durch die vorletzte bzw. die vor-vorletzte Zahl der Reihe dividiert wird.
Als Beispiel vor eine vorletzte Zahl wird 89 nicht durch die benachbarte Zahl 55, sondern durch 34 dividiert. Die entstandenen Ratios lauten in Prozent 261,8 bzw. für die reziproke Berechnung 38,2 Prozent.
Als Beispiel, für eine vor-vorletzte Zahl, soll 55 durch 13 dividiert werden. Die abgeleiteten Ratios lauten in Prozent 423,6 bzw. 23,6 für die reziproke Berechnung.
Fibonacci Retracements und Fibonacci Extensions
Für die Chartanalyse sind folgende Ratios wichtig:
Retracements: 23,6 %; 38,2 %, 50 %, 61,8 % und 100 %
Extensions: 161,8 %, 200 %, 261,8 % und 423, 6 %.
Es ist deutlich zu erkennen, dass ein Retracement, das 100 % überschreitet, eine Extension wird, also die Range überschritten wird.
Fibonacci Retracements
Mit Fibonacci Retracements werden potenzielle Widerstands- bzw. Unterstützungs-Levels lokalisiert. So spricht man beispielsweise von einer Kurskorrektur auf dem 50-Prozent-Level. Das heißt, der Kurs stößt, je nach Richtung des Trends, auf Widerstand oder Unterstützung. Da die verschiedenen Level auf Kurskorrekturen hindeuten, können sie als potenzielle Einstiegspunkte genommen werden.
Wird das Retracement im Rahmen einer Aufwärtskonstruktion verwendet, muss zuerst der Tiefpunkt mit dem nachfolgenden Hochpunkt mittels einer Linie verbunden werden. Dabei stellt der Tiefpunkt den Level 100 % dar und der Hochpunkt den höchsten Kursstand, also Level 0 Prozent. Danach wird die Kursdifferenz berechnet. Ausgehend von dieser werden die entsprechenden Retracements ausgerechnet und als horizontale Linie eingetragen.
Retracements können aber auch zur besseren Lokalisierung von potenziellen Widerständen verwendet werden. In diesem Fall wird die Berechnung für die einzelnen Retracements vom Tiefpunkt aus gemessen. Im Chart liegt dann folglich das 23,6 Prozent-Retracement unten.
Soll ein Trend angezeigt werden, werden die Levels in umgekehrter Reihenfolge angezeigt. D.h. bei einem fallenden Trend ist der höchste Kursstand der Null-Prozent-Level und der tiefste Stand der mit 100-Prozent. Werden beide Punkte mit einer Linie verbunden, zeigt sich ein Abwärtstrend.
Vor- und Nachteile des Fibonacci-Indikators
Gegner des Fibonacci-Indikators führen an, dass Trading-Erfolge oft auf anderen Einflüssen basieren, nicht zuletzt auf den eigenen Fähigkeiten. Ein weiteres Gegenargument ist, dass sich die Fibonacci-Vorhersagen gegenseitig beeinflussen.
Wie jeder andere Indikator beim Trading auch, ist der Fibonacci-Indikator eben ein Indikator, kein Wahrsager. Es wird zwar oft betont, dass Kurskorrekturen an den gängigen Linien stattfinden, aber einen mathematischen Beweis gibt es dafür nicht. Da viele Anleger mit dem Fibonacci-Indikator arbeiten, wird die Kursentwicklung sicher auch dadurch beeinflusst. Zudem kann er für Kurz- und Langzeitanalysen sowie für Projektionen eingesetzt werden. Sein größter Vorteil liegt aber mit Sicherheit in der Einfachheit seiner Anwendung.
Fazit:
Mit dem Fibonacci-Indikator können Stellen, an welchen eine potenzielle Kursveränderung eintritt, lokalisiert werden. So zeigt der Indikator, je nach Richtung, Unterstützungs- bzw. Widerstandszonen an. Der Fibonacci-Indikator ist in der Anwendung relativ einfach. Das Einstellen der Levels wird von speziellen Tools unterstützt, was die Anwendung zusätzlich vereinfacht. Allerdings ist zu beachten, dass es sich bei den Levels immer um potenzielle Kurskorrekturen handelt. Eine genaue Bestimmung der Kursentwicklung ist auch mit dem Fibonacci-Indikator nicht möglich.
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